Vor kurzem fragte mich eine Freundin mitten im Gespräch, "sag mal analysierst du mich?" Ich war erst irritiert, dann etwas verärgert da es mir wie ein Vorwurf vorkam. Nach kurzem Nachdenken sagte ich ihr, dass ich das unbewusst wohl immer tue, aber ich würde sie wohl kaum analysieren und dann ein Urteil bilden.
Als ich nach unserem Treffen nach Hause kam musste ich immer noch darüber nachdenken. Wieso hat sich gerade mich das gefragt und nicht jeden anderen am Tisch? Beurteilen und analysieren wir nicht alle unsere Umwelt und Mitmenschen tagein - tagaus? Ist es denn nicht so, dass wir uns anmaßen die Dinge die durch unseren Verstand erfasst werden als einzige Wahrheit anzusehen? Bereits 1999 erschien in der Welt ein Artikel zu dem Thema "Menschen beurteilen einander nach fünf Eigenschaften". Unterschiedliche Forscher aus verschiedensten Ländern kamen alle zum gleichen Ergebnis. Wir Menschen treffen anhand von 5 Kerneigenschaften eine Beurteilung über den Gegenüber. Das machen wir immer so. Die Eigenschaften Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, Extraversion, Neurotizismus und Offenheit für neue Erfahrungen wurden bei allen Tests herausgearbeitet. Einheitlich wurde festgestellt, dass wir Menschen uns genau nach diesen Maßstäben beurteilen und das unabhängig von privaten oder beruflichen Beziehungen.
Auch auf der Seite Karriere Bibel findet sich ein schönes Beispiel aus der Forschung wieder:
"In einer Studie zeigten Wissenschaftler der Cornell University ihren Probanden Fotos von Frauen. Mal lächelten diese, mal schauten sie missmutig. Hatten die Teilnehmer nun das Gefühl, bei der Person handele es sich um eine freundliche, offene und gewissenhafte Dame, hielt dieser Eindruck auch an, nachdem sich beide persönlich kennengelernt hatten. Hatten sie dagegen den Eindruck, die Frau auf dem Foto sei unsympathisch, überdauerte dieser Eindruck ebenfalls das Gespräch.
Der Witz: Bei der Frau handelte es sich jedesmal um ein und dieselbe Person. Einmal hatte sie liebreizend in die Kamera geschaut, ein anderes Mal einen unausstehlichen Eindruck gemacht. Der erste Eindruck trägt – aber er täuscht bisweilen."
Aber wieso tun wir das? Wieso laufen wir urteilend durch unsere Welt?
Wenn wir ganz weit zurück in die Vergangenheit reisen, stellen wir fest, dass eine Beurteilung unserer Umgebung überlebensnotwendig war. Freund oder Feind waren damals nicht einfach nur eine Frage der inneren Einstellung und Werte. Vielmehr handelte es sich dabei um das Überleben jeden Tag. Die Unterscheidung musste schnell passieren. Ein flauschiges Kätzchen war vielleicht eher eine gefährliche Raubkatze. Da musste man schon genau beurteilen. Der Jäger im Dorf musste verlässlich sein, sonst hatte man nichts zu essen und auch die Gene sollten stimmen, wenn es um die Fortpflanzung ging. All das prägte unser Gehirn dahingehend, dass wir ständig auf der Hut sein sollten; ständig abwägen müssen.
Doch brauchen wir das heute noch? Ist das eine Eigenschaft die wir als "überlebensnotwendig" einstufen würden?
Ich glaube nicht. Es ist sicherlich nicht immer einfach davon abstand zu nehmen, da es so automatisch passiert.
Wie wir an dem Beispiel der Cornell University auch ganz klar erkennen, das Urteil das wir fällen hat Einfluss auf unser Verhalten. Wäre es nicht viel schöner ohne Einfluss, den wir selbst konstruiert haben zu leben? Mit Sicherheit.
Wir können uns aber in #Achtsamkeit üben. Das führt auch dazu nicht alles gleich in eine Schublade zu stecken, sondern anzunehmen und zu akzeptieren. Ich habe mit meinem Mann ein Spiel daraus gemacht und glaube, dass es auch euch helfen kann. Immer wenn wir jemanden oder etwas bewerten (negativ) macht der andere einen Ton, als würde man auf einen Buzzer drücken. Es geht darum sich der Gedanken überhaupt bewusst zu sein. Man kann auch mit der Zunge schnalzen oder sich in die Hand zwicken. Bei dem Spiel geht es darum, sich erst einmal bewusst zu machen, wie häufig wir in unserem Leben Zeit damit verbringen über andere zu urteilen, gar zu lästern.
Seit wir dieses Spiel spielen fällt es uns immer leichter, unsere Gedanken zu kontrollieren und unbewusste Urteile passieren garnicht mehr so häufig. Wir sind tatsächlich besser gelaunt, da wir unseren Geist nicht mehr mit so viel negativer Energie überfluten. Außerdem haben wir nun Zeit gewonnen die Umgebung aus der positiven Brille zu sehen. So viele schöne Dinge fallen uns seitdem auf. Das ist wirklich wunderbar.
Probiert es einfach mal aus. Seit achtsam, welche Gedanken tagtäglich durch euren Geist fliegen und überlegt euch, ob diese Gedanken zu der Person passen, die ihr eigentlich sein wollt.
Schaut euch auch mal dieses Video an und überlegt selbst, was ihr in den ersten Minuten denkt und wie sich euer denken bis zum Ende des Clips verändert.
https://www.welt.de/print-welt/article564133/Menschen-beurteilen-einander-nach-fuenf-Eigenschaften.html
https://karrierebibel.de/darum-beurteilen-wir-andere-lieber-als-uns-selbst/
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